MEIN LEIB UND MEINE SEELE

EIN DANKESCHÖN AN DEN ALTEN, TREUEN KÖRPER. / Text: Monika Krautgartner // Foto: plainpicture/Cultura

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Dieser Leib hat meine Seele, mein innerstes Ich, seit ich denken kann, behütend umschlossen und durch mein Erdenleben getragen. Er hat all seine Kraft und Gelenkigkeit aufgebracht, damit ich davonlaufen konnte und keinen Schaden nahm, als mir damals, nach der Schule, drei Mädchen mit einem Stein nachliefen. Er hat tapfer durchgehalten, ohne zu erkranken, wenn ich in meiner Zerstreutheit an kalten Wintertagen viel zu wenig Kleidung trug.

Mein Leib hat mir dabei geholfen, meine Liebe auszudrücken. Durch die Wärme, durch den guten Geruch, den er für mich machte in wichtigen Lebensmomenten, durch seine unwahrscheinlich hohe Sensibilität, durch die er mich zeigen ließ, was ich geben wollte und was der Geliebte brauchte. Stets war er Botschafter meines Wesens, Vermittler, Zuträger.

Dieser gute, starke Leib hat meine Kinder getragen und geboren für mich. Und all die Jahre meines Lebens war er für mich da, war er stark, gesund und ein gutes Zuhause für meinen Geist und meine Seele.

Jetzt ist er müde geworden, mein Leib, wir kommen beide in die Jahre. Er ist faltig, an manchen Stellen grobporig, Hornhaut ist auf seinen Füßen von den Tausenden Kilometern, die er in meinem Dienst zurückgelegt hat.

Der Bauch meines Körpers ist weich, die Haut geht wohl etwas aus dem Leim, und die Last der Jahre zeigt sich an Wellen, Dellen und am Überhang. Ich betrachte meinen guten alten Leib im Spiegel.

Und plötzlich überkommt mich so viel Liebe für diesen Leib, der alles gegeben hat in den vergangenen Jahrzehnten, damit ich erleben konnte, was mein heißes Herz und mein ruheloser Geist verlangten.

Alles hat er mitgemacht, dieser gute Leib, nie versagte er mir seinen Dienst. Wie könnte ich ihn da nicht lieben? Ich liebe das weiche Alter seiner Haut. Ich liebe das Gewicht, das dieser Leib braucht, um zu sein, was er ist.

Ich liebe das Bemühen, immer noch und immer wieder aufrecht zu gehen wie ein junges Mädchen, auch wenn es manchmal nicht mehr so einfach ist. Dieser alte Leib ist in seiner leichten Müdigkeit, die ihm das Älterwerden auferlegt hat, vieltausendmal schöner, als er es im ungelenken Selbstverständnis der Jugend war.

Mein Leben, mein innerstes Ich, hat ihn gefordert, hat ihn geformt. Längst kenne ich ihn durch und durch. Wir sind eins geworden im Laufe des Lebens.

Sich beklagen, weil dieser gute alte Leib nicht mehr glatt und jung ist? Wie verrückt wäre das denn?

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Erschienen in „Welt der Frau“ 10/15 – von Monika Krautgartner

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